Vakuuminfusion


Wozu Faserverbundwerkstoffe?

Auf den ersten Blick erscheint die Einbettung dünner Fasern in einem Matrixsystem unnötig aufwendig und kompliziert. Nach theoretischen Gesichtspunkten müssten bereits die reinen isotropen Faserwerkstoffe ideale Konstruktionsmaterialien sein. Sie sind fest, steif und beständig gegen hohe Temperaturen und aggressive Medien. Eine entscheidende negative Eigenschaft verbindet jedoch all diese Werkstoffe: sie sind sehr spröde!
Bereits die kleinste Fehlstelle in einem massiven Bauteil kann zu einem totalen Versagen führen, obwohl die theoretische Werkstofffestigkeit noch lange nicht erreicht ist. Im Vergleich dazu kann in einem gleichgroßen Bauteil bestehend aus dünnen Fasern ein Defekt von den umliegenden Fasern kompensiert werden.
Desweiteren bietet ein faserförmiger Werkstoff in Faserrichtung eine größere Festigkeit als massives Material. Die Ursache hierfür liegt in der zunehmenden Gleichrichtung von Molekülketten mit abnehmender zur Verfügung stehender Querschnittsfläche.

Faserverbund- bzw. Mehrphasenwerkstoffe bestehen im Allgemeinen aus einer bettenden Matrix und den verstärkenden Fasern. Durch gegenseitige Wechselwirkungen der beiden Komponenten ist es möglich einen Werkstoff mit neuen bzw. verbesserten Gebrauchseigenschaften zu erzeugen. Da die Fasern beanspruchungsgerecht ausgerichtet und in ihrer Dichte angepasst werden können, entstehen maßgeschneiderte Bauteile. Um die Festigkeit in verschiedene Richtungen zu beeinflussen, werden statt einzelner Fasern meist vorgefertigte Gewebe oder Gelege verwendet.


Das Vakuuminfusionsverfahren

Beim Vakuuminfusionsverfahren werden trockene Verstärkungstextilien (Fasergewebe, Fasergelege…) sowie Trenngewebe (Abreißgewebe) und Verteilermedien (Fließhilfe, Spiralschlauch…) in einer einseitigen (gasdichten), mit Trennmittel beschichteten Form abgelegt.
 Das Trenngewebe wird nach dem Aushärten des Bauteils entfernt und hinterlässt eine gleichmäßig angeraute Oberfläche, die eine optimale Grundlage für die weitere Verarbeitung darstellt. Die Fließhilfe sorgt für eine gleichmäßige Vakuumerzeugung und unterstützt den Harztransport. Desweiteren nimmt sie überschüssiges Harz auf und begünstigt so eine gleichmäßige Bauteilstärke. Meist wird zusätzlich zwischen Trenngewebe und Fließhilfe eine Lochfolie aufgelegt, die eine einfache Trennung von Verteilermedien und Abreißgewebe ermöglicht. So kann das fertige Bauteil, geschützt durch das Abreißgewebe, eingelagert werden ohne die nun überflüssigen Verteilermedien. Als Nächstes wird eine gasdichte Folie über dem Bauteil ausgebreitet und mithilfe von Vakuum-Abdichtband (Tacky Tape) an den Formrändern befestigt.

Das nun entstandene und von der Umgebung getrennte Volumen zw. Textilschichten und Folie wird mittels einer Vakuumpumpe evakuiert. Der Umgebungsdruck komprimiert und fixiert die abgelegten Schichten, während das Vakuum das temperierte flüssige Matrixharz in das Fasermaterial hineinsaugt. Um zu verhindern, dass überschüssiges Harz in die Vakuumpumpe gelangt, wird vor dieser eine Harzfalle montiert. Nachdem die Fasern vollständig getränkt sind, wird die Harzzufuhr unterbunden und das fertige Bauteil kann nach dem Aushärten entformt werden. Das durchtränkte Laminat wird meist in Autoklaven unter hohen Drücken und Temperaturen ausgehärtet. Bei sehr großen Bauteilen, wie z. B. Schiffsrümpfen, wird jedoch ein kalthärtendes Harz verwendet, das innerhalb einiger Tage bei Raumtemperatur aushärtet.

Der Vorteil des Vakuuminfusionsverfahrens liegt in der gleichmäßigen und fast blasenfreien Tränkung der verwendeten Faser. Dies ermöglicht Bauteile mit hoher Qualität sowie hervorragenden mechanischen Eigenschaften und garantiert eine gute Reproduzierbarkeit. Ein weiterer Vorteil des Verfahrens liegt in der besonders emissionsarmen Herstellung von Bauteilen in Faserverbundtechnik.


Vorgehensweise

Grundlage für eine erfolgreiche Prozessführung ist eine luftdichte Form, damit das geforderte Vakuum überhaupt aufgebaut werden kann. Der Werkzeugrand sollte großzügig bemessen sein, um ein Abdichten mit Tacky-Tape zu ermöglichen bzw. zu erleichtern (mind. 6 -10 cm). Bei größeren/komplexeren Bauteilen kann es praktisch sein Wasser- bzw. Druckluftanschlüsse in die Form einzuarbeiten um das Entformen zu erleichtern.


1. Schritt: Trennmittel auftragen
Zuerst muss die Form gründlich gereinigt werden. Anschließend wird ein geeignetes Trennmittel aufgetragen. Das Trennmittel sollte in mehreren Schichten aufgetragen werden und nach jedem Auftragen mit einem Tuch glatt poliert werden um Streifenbildung zu vermeiden.


2. Schritt: Einlegen und Fixieren der Verstärkungstextilien
Die Verstärkungstextilien werden trocken in der Form eingelegt. Bei Bedarf können die einzelnen Schichten mit geringen Mengen Sprühkleber fixiert werden. Es ist wichtig möglichst wenig Sprühkleber einzusetzen, da ansonsten die Zwischenlagenhaftung reduziert wird.
Dabei sollte man bei jeder Lage auf korrekte Ausrichtung der Fasern achten um eine optimale Laminatsteifigkeit zu erreichen (+/- 45°, 0°, 90°). Am besten eignen sich Biaxial- bzw. Multiaxialgelege, da sich diese sehr gut trocken drapieren lassen. Beim Drapieren sollten Spannungen im Textil auf jeden Fall vermieden werden.


3. Schritt: Abreißgewebe auflegen
Das Abreißgewebe sollte die gesamte spätere Bauteilnutzfläche abdecken, da dieses für eine gleichmäßige Oberflächenrauhigkeit sorgt. Falls erforderlich kann auch hier mit Sprühkleber fixiert werden.


4. Schritt: Lochfolie auflegen
Auf das Abreißgewebe wird die Lochfolie gelegt und bei Bedarf fixiert. Die Lochfolie lässt überschüssiges Harz durch und ermöglicht eine leichte Trennung von Fließhilfe und Abreißgewebe.




5. Schritt: Fließhilfe auflegen
Auf die Lochfolie wird die Fließhilfe abgelegt. Die Fließhilfe unterstützt den horizontalen Harzfluss und somit die gleichmäßige Verteilung des Harzes über die Bauteilfläche. Die Fließhilfe wird mit einigen cm Abstand zum Rand verlegt um die Harzfront abzubremsen, sodass diese nicht so schnell in den Absaugschlauch gelangt. Weiterhin unterstützt die Fließhilfe die Ausbildung des Vakuums.


6. Schritt: Spiralschläuche anbringen
Die Spiralschläuche für Luftabfuhr und Harzzufuhr werden auf der Fließhilfe mittels Tacky-Tape fixiert. Die Anordnung ist dabei stark von der Bauteilgeometrie abhängig. Für die Absaugung wird oft eine Ringleitung an den Bauteilkanten verwendet.




7. Schritt: Abdichten der Vakuumfolie
Zuerst wird das Tacky-Tape am Formenrand angebracht, wobei der rückseitige Trägerfilm noch nicht entfernt wird. Anschließend wird die Vakuumfolie mithilfe des aufgeklebten Tacky-Tapes schrittweise durch Abziehen des Trägerfilms und Andrücken der Folie fixiert. Die zu verwendende Vakuumfolie sollte sehr großzügig bemessen sein um Spannung im Aufbau zu vermeiden. In regelmäßigen Abständen (ca. 50 cm) sollten sog. Abnäher (Falten) in die Folie eingearbeitet werden, indem Dichtband zusammengeklebt wird. So werden Spannungen in der Folie effektiv vermieden. Besonders bei komplexen Geometrien kann es erforderlich sein mehr Abnäher einzuarbeiten. Um die Zu- und Ableitungen an ihren Durchgängen gut abzudichten sollten diese mit Tacky-Tape umwickelt werden.


8. Schritt: Dichtheitsprobe (Droptest)
Nachdem alle Schichten fertig aufgelegt, fixiert und abgedichtet wurden, muss eine Dichtheitsprobe durchgeführt werden. Dabei wird versuchsweise das Vakuum aufgebaut und mithilfe eines Messgeräts überprüft. Wenn das Bauteil korrekt abgedichtet wurde, sollte sich das Vakuum problemlos über längere Zeit halten können. Eine weitere Möglichkeit besteht darin nach Erreichen eines stabilen Vakuums die Pumpe abzuschalten und den Druckanstieg zu beobachten. Wenn der Druck zu schnell wieder zunimmt, ist der Aufbau undicht.


9. Schritt: Infusion
Das Infusionsharzsystem wird angemischt, wobei versucht werden sollte möglichst wenig Luft mit einzumischen. Anschließend wird das Harz über die Zufuhrleitung in den Aufbau gesaugt. Die Verarbeitungsdauer und die verschiedenen Prozessparameter sind abhängig vom verwendeten Harzsystem und vom gewählten Aufbau. Das Vakuum sollte jedoch mindestens 12 Stunden anliegen.


10. Schritt: Temperung
Um die maximale mechanische Festigkeit zu erreichen sollten die Bauteile in der Form getempert werden. Die Temperzyklen sind abhängig vom gewählten Härter.